Von Spitzenunterwäsche und Eheproblemen – ist das persönlich oder privat?
Personal Branding heißt Persönlichkeit zeigen, steckt ja schon im Namen. Aber Hand aufs Herz: Wo sind da die Grenzen? Was sollten andere lieber nicht über mich wissen? Was ist privat und was persönlich? Muss ich meine Privatsphäre als Personenmarke an den Nagel hängen?
Es gibt Unternehmerinnen, die sich sagen, „it’s a family business“ und aus den Gesichtern ihrer Kinder bewusst kein Geheimnis machen. Manche weibliche Business-Coaches zeigen sich auch mal in Spitzenunterwäsche (ja, da ist kein Einzelfall!). Andere erzählen von ihren Depressionen, wie getrennte Schlafzimmer ihre Beziehung auf Trab halten oder offenbaren in ihrer IG-Story, dass sie heute nicht so produktiv sind, weil sie PMS plagt.
Ist das noch professionell? Ich würde sagen, das entscheidest du! Meine Meinung dazu: Wenn du mit der Offenheit Anderer ein Problem hast, dann hat das mehr mit dir selbst als mit der anderen Person zu tun.
Mich schreckt jedenfalls nichts so schnell ab – außer langweilige Posts, in denen es nur um Fachliches und Business geht (gäääääähn!). Ich begrüße es, wenn Menschen sich zeigen, wie sie sind, manchmal vielleicht auch nicht so vorteilhaft.
Wenn wir uns darüber beklagen, wie perfekt und shiny shiny es in Social Media zugeht und wie schlecht und minderwertig wir uns damit fühlen, weil wir uns ständig nach oben vergleichen, dann sollten wir uns doch über jeden Coach im Bademantel freuen. Oder? Business-Coach Mark Oswald hat sogar mal ein Zoom-Meeting aus der Badewanne abgehalten. Superwitzige Aktion, die ihn nicht weniger kompetent macht (sein Podcast Business küsst Bewusstsein ist eine große Empfehlung von mir). Und noch wichtiger: Das Badewannenbild ist mir bis heute im Kopf geblieben.
Was ist denn nun der Unterschied zwischen privat und persönlich?
Ehrlich gesagt, hab ich darauf keine pauschale Antwort. Ups! Falls du das jetzt erwartet hast, sorry! Vielmehr isses so: Es ist DEINE sehr persönliche (oder private?) Entscheidung, was du mit der Öffentlichkeit teilen magst und was nicht. Persönlich bedeutet für mich alles, was dich als Mensch und Unternehmer*in ausmacht, beschäftigt und besonders macht.
Bei privat steckt eine stärkere Konnotation dahinter. Privat sagt: „Das gehört nicht in die Öffentlichkeit. Das ist intim und ich möchte es nicht mit der Online-Welt teilen.“
Aber hey, am Ende sind wir alle Menschen und alle miteinander verbunden. Wir haben alle einen Körper. Wir gehen alle auf die Toilette. Brauchen Schlaf und Pausen. Weinen mal. Sind verzweifelt. Bauen Mist. Oder wollen manchmal am liebsten alles hinschmeißen und uns für ein paar Jahre in die Hängematte legen, weil wir uns das gefühlt schon längst verdient haben.
Was uns davon abhält, uns in unserem Mensch-Sein und all unseren Facetten zu zeigen, ist oftmals die Gesellschaft, angefangen bei der Erziehung durch unsere Eltern. „Das macht man nicht“ hast du als Kind sicher auch öfter gehört. Wir sollten stillsitzen, brav sein und die Klappe halten, wenn Erwachsene sich unterhalten. Als Kinder haben wir „gelernt“, dass wir nicht richtig sind, so wie wir sind. Wir haben gelernt, uns zu schämen. Und ich glaube, das sitzt vielen von uns immer noch in den Knochen. Dann geht es bei der Frage „Ist das jetzt zu persönlich?“ nicht um uns, unsere Werte und Bedürfnisse, sondern darum, was andere über uns denken könnten und um die Angst verurteilt zu werden.
Dass das passieren wird, sobald du online sichtbarer wirst und mehr Reichweite hast, kann ich dir garantieren. Das ist wie ein Naturgesetz des Online-Dschungels.
Trotzdem finde ich, es ist allerhöchste Eisenbahn, dein eigenes Ding zu machen und deinem Herzen zu folgen. Ich weiß, klingt cheesy, aber isso.
Ist das relevant oder kann das weg?
Aber jetzt lass uns besser keine Zeit mehr damit verschwenden, weiter darüber zu philosophieren, was denn jetzt privat oder doch „nur“ persönlich ist. Jede*r hat eigene Grenzen.
Ich finde, wir brauchen eine andere Messlatte.
Denn viel wichtiger als die Frage nach der Privatsphäre ist der Wert, den du durch deine Inhalte schaffst. Ob dein Mitteilungsbedürfnis gerade mit dir durchgeht oder du einfach auf Veröffentlichen klicken solltest, kannst du selbst mit den wesentlichen Fragen abchecken:
- Ist das relevant für mein Publikum?
- Ist es unterhaltsam?
- Bleibe ich damit in den Köpfen?
- Zahlt das auf meinen Markenaufbau ein oder schadet es meiner Marke?
- Möchte ich so gesehen werden?
- Fühle ich mich wohl damit, diese Dinge vor meinen Follower*innen zu „verheimlichen“?
- Ermutigt oder inspiriert es andere, wenn ich meine Erfahrungen, inklusive Unsicherheiten, Zweifel und Macken teile?
Sei kein People Pleaser, sondern halte dir selbst die Treue!
Falls du oft damit haderst, persönliche Einblicke zu teilen und bei dir immer ein großes ABER auftaucht, dann lass dir gesagt sein: Du wirst es nie allen recht machen. Musst du auch nicht. Sei kein People Pleaser, sondern halte dir selbst die Treue. Vertraue darauf, dass du das Richtige im richtigen Moment teilst. Mach dir keine Sorgen, ob es zu persönlich oder privat ist. Die Antwort kennst du längst. Denn es geht darum, ob es DIR zu persönlich ist.
Das kann sich übrigens wandeln. Ich habe zum Beispiel in den letzten Wochen beschlossen, dass ich mich weiter aus dem Fenster lehnen und noch ehrlicher sein will. In meinem Newsletter schrieb ich:
Ich fühle mich total unsicher, wenn es um meine Arbeit geht, genauer gesagt um die Ergebnisse meiner Arbeit.
Sobald ich anfange, zu schreiben, kommen meine inneren Kriktikernervensägen aus ihren Löchern gekrochen und machen ordentlich Lärm. Sie fragen dann so Sachen wie: Bist du dir sicher, dass ihm oder ihr das gefällt? Kann man das wirklich so sagen? Klingt das nicht zu steif, zu lax, zu verspielt? Findest du echt, das klingt originell genug? Na hoffentlich schlafen dir die Leute beim Lesen nicht ein!
Wie du dir vorstellen kannst, zieht das ganz schön Energie. Schreibflow? So wohl kaum. Locker fluffig leichte Formulierungen? Ein weiter Weg. Spaß am Schreiben? Ähm, können wir jetzt bitte das Thema wechseln …
Hier & Text, Newsletter vom 6. August 2022
In dieser Mail ging’s richtig ans Eingemachte. Das hat Überwindung gekostet, aber sich gelohnt. Den ganzen Text kannst du hier nachlesen: Von Krokodilstränen und dem Gefühl, nicht gut genug zu sein (merkst ja schon am Titel, es wird emotional …).
Schnelles Fazit
- Die Grenze zwischen persönlich und privat ziehst du selbst!
- Stell dir lieber die richtigen Fragen: Ist mein Content relevant und spannend für mein Wunschpublikum? Zahlt er auf meine Marke ein?
- Mit Zeit kommt Rat. Womit du dich wohlfühlst, verändert sich. Vertraue dir und dem richtigen Timing. Du spürst, wann manche Themen dran sind und wann nicht.
- Falls du gern etwas teilen möchtest, aber Herzflattern und weiche Knie bekommst, dann stecken wahrscheinlich tiefere Ursachen dahinter (oder du bist frisch verliebt). Lass mich gerne wissen, wenn ich dich hier unterstützen kann.